Wohnungsmarkt
Eine weitere Ausgabe der Veröffentlichungsreihe Marktaspekte. In kurzen und prägnanten Beiträgen beleuchten wir aktuelle sowie andere wesentliche Ereignisse des Immobilienmarktes. Heute beschäftigt uns das Thema „Wohnungsmarkt“ und die Spannung Wohnungsbestand und Einwohnerzahl.
Warum spannt sich der Wohnungsmarkt an, wenn der
Wohnungsbestand stärker steigt als die Zahl der Einwohner?
Zum Jahresende 2011 gab es in der Bundesrepublik Deutschland 40,6 Millionen Wohnungen, zum Jahresende 2022 waren es 2,74 Millionen mehr. Nimmt man für jede dieser neu entstandenen Wohnung eine durchschnittliche Belegung von zwei Personen an, hätte die Bevölkerung in den letzten elf Jahren um 5,5 Millionen Personen ansteigen können, ohne die Wohnungsversorgung rechnerisch zu verändern. Tatsächlich stieg die Bevölkerung aber weniger stark. Zum Jahresende 2022 lebten in der Bundesrepublik mit 84,3 Millionen Menschen, 4 Millionen mehr als Ende des Jahres 2011.
Gleichwohl ist Wohnraum in den letzten Jahren zunehmend zur Mangelware geworden. Warum das so ist, hat mehrere Gründe:
Erstens: seit Langem steigt der durchschnittliche Wohnflächenverbrauch je Haushalt vermögens- und altersbedingt. Daran hat sich in jüngster Zeit wenig geändert. Allen Preissteigerungen zum Trotz konsumieren die Haushalte im Mittel heute mehr Wohnfläche als vor einer Dekade, auch in Form von Zweitwohnungen.
Zweitens funktioniert der Matching-Prozess zwischen dem Angebot an und der Nachfrage nach Wohnraum nicht perfekt: Menschen sind aufgrund ihrer familiären und beruflichen Beziehungen häufig wenig mobil, Wohnungen sind vollkommen immobil, sie stehen mancherorts leer und fehlen an anderer Stelle.
Noch wichtiger ist drittens, dass die Bevölkerung in Deutschland nur deshalb steigt, weil mehr Menschen grenzüberschreitend zuziehen als fortziehen. In Summe über die vergangenen elf Jahre waren dies 6,1 Millionen Personen, primär verursacht durch zwei starke, kriegs- und krisenbedingte Zuwanderungswellen und die EU-Personenfreizügigkeit. Ohne den Nettozuzug lebten in Deutschland heute 2,1 Millionen Personen weniger als zum Jahresende 2011. Es sterben mehr Menschen als geboren werden.
Zuziehende sind vor allem auf Mietwohnungen angewiesen. Diese machen nur etwa die Hälfte der seit dem Jahr 2011 neu entstandenen Wohnungen aus, die andere Hälfte entfällt vor allem auf Eigenheime. Nimmt man mangels einer Mietwohnungsbestandsstatistik den Geschosswohnungsbestand als Orientierung, erhält man ein Plus von 1,44 Millionen (Miet-)Wohnungen. Wird dieses Plus dem Nettozuzug gegenübergestellt, zeigt sich, dass auf eine zusätzliche Mietwohnung nicht 2 Personen, sondern mindestens 4,2 Personen aus dem Ausland entfallen. Hinzu kommt mehr als der eine oder andere Inländer.
Ein weiterer Punkt ist, dass sich die einzelnen Komponenten der Einwohnerentwicklung nicht in gleicher Weise auf die effektive Wohnungsnachfrage auswirken. Zwischen der natürlichen Bevölkerungsentwicklung und der Nettozuwanderung bestehen Asymmetrien. Zugespitzt formuliert: Jeder Zuzug benötigt Wohnfläche, nicht jeder Todesfall macht Wohnfläche marktwirksam frei.
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