Jahrelanger Aufschwung am deutschen Immobilienmarkt endet
Gesamtmarkt
Der vdp-Immobilienpreisindex verzeichnete im dritten Quartal 2022 den ersten Rückgang nach elf Jahren. Zwar notierte der Index, verglichen mit dem Vorjahresquartal, noch um 4,7% über dem Vorjahreswert, gegenüber dem Vorquartal sank er aber um 1,0%. Damit finden die sich seit Monaten verschlechternden politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, welche die aktuelle Nachrichtenlage dominieren, nun auch ihren Niederschlag im Index. Trotz der noch überraschend robusten konjunkturellen Lage im dritten Quartal mit einem leicht steigenden Bruttoinlandsprodukt beeinflussten vor allem Belastungsfaktoren wie der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der Klimawandel und die aktuell hohe Inflation das Wirtschaftsgeschehen.
Zur Bekämpfung der Inflation erhöhte die Europäische Zentralbank in den letzten Monaten mehrfach die Leitzinsen, was in Verbindung mit den hohen Teuerungsraten auch die Zinsen für Immobilienkredite stark steigen ließ – auf ein Niveau, das letztmals vor zehn Jahren erreicht wurde. Dies dämpfte die Nachfrage nach Immobilien, was sich unterschiedlich auf die einzelnen Assetklassen auswirkte. Während Wohnimmobilienpreise gegenüber dem direkten Vorquartal leicht um 0,7% nachgaben, auf Jahressicht aber ein Plus von 6,1% verzeichneten, waren auf dem Gewerbeimmobilienmarkt stärkere Effekte auszumachen: Die Preise für Gewerbeimmobilien fielen gegenüber dem zweiten Quartal dieses Jahres um 2,2%, gegenüber dem dritten Quartal des Vorjahres um 0,6%.
Wohnungsmarkt
Zum ersten Mal nach über zwölf Jahren sanken im dritten Quartal 2022 die Preise für Wohnimmobilien im Quartalsvergleich. Auf Jahressicht legten die Preise allerdings noch um 6,1% zu, wozu insbesondere der Markt für selbst genutztes Wohneigentum beitrug. So erhöhten sich die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser im Vergleich zum Vorjahr noch um 8,4% , gegenüber dem Vorquartal fiel der Preisanstieg mit 0,5% aber schon deutlich geringer aus. Ein ähnliches Bild zeigte sich bei den Preisen für Eigentumswohnungen, die sich im Jahresvergleich – getragen von drei starken Quartalen von Oktober 2021 bis Juni 2022 – um 7,8%, im Quartalsvergleich aber nur um 0,7% erhöhten. Steigende Kreditzinsen sowie der Anstieg der allgemeinen Lebenshaltungs- und der Baukosten führen dazu, dass die Nachfrage nach selbst genutztem Wohneigentum derzeit nachlässt. Vor allem in den Metropolregionen, in denen die Preise in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind, wird die Finanzierung von Wohneigentum erschwert.
Der aktuell robuste Arbeitsmarkt lässt aber keine Ausfallwelle von bereits finanzierten Immobilien erwarten, und auch die nach wie vor geringe Neubautätigkeit wird das Immobilienangebot kurz- bis mittelfristig nicht signifikant erhöhen. Bleiben diese Bedingungen stabil, ist mit einem Preiseinbruch nicht zu rechnen. Der Anstieg der Preise für Mehrfamilienhäuser belief sich im Jahres-vergleich auf 4,1%. Im Vergleich zum zweiten Quartal dieses Jahres fielen die Preise allerdings um 1,9%. Bedingt durch die weiter hohe Nachfrage nach Wohnraum stiegen die Neuvertragsmieten um 4,8% im Vergleich zum drit-ten Quartal des Vorjahres. Auf dem Investmentmarkt führten die gestiegenen Zinsen und die Unsicherheit in Bezug auf die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung dazu, dass Investitionen in Mehrfamilienhäuser neu bewertet werden mussten. Als Folge daraus legte der Index für Liegenschaftszinsen im Quartalsvergleich um 3,6%, im Vorjahresvergleich um 0,6% zu.
Wohnungsmarkt Top 7
Auch in den Metropolen Deutschlands drückten sich die schwierigen Rahmenbedingungen in einem abgeschwächten Preiswachstum auf den Immobilienmärkten aus. Im Vergleich zum Vorjahresquartal stieg der vdp Top 7-Index noch um 6,1 %. Gegen-über dem direkten Vorquartal gab er jedoch um 0,7% nach. Diese Entwicklung ist auch auf weniger starkes Preiswachstum im Bereich des selbst genutzten Wohneigentums zurückzuführen. Der Index für Einfamilienhäuser in den Top 7-Städten stieg zwar weniger dynamisch als in den Vorquartalen, aber immer noch deutlich um 7,4% im Vorjahresvergleich. Der Top 7-Index für Eigentumswohnungen legte im Vergleich zur Vorperiode um 6,6% zu, was gegenüber den Werten der letzten Veröffentlichungen eine deutliche Abschwächung darstellt. Der stärkste Anstieg wurde mit 9,2% im Vergleich zum Vorjahresquartal erneut in Berlin gemessen, wobei auch dieser Wert maßgeblich vom starken Wachstum in den ersten beiden Quartalen 2022 beeinflusst wird.
Auch die Preise für Mehrfamilienhäuser in den deutschen Metropolen stiegen erneut. Der dazugehörige Index für Kapitalwerte erhöhte sich im Vorjahresvergleich um 5,8%. Die Unterschiede in den Wachstumsraten waren hier teilweise recht aus-geprägt und reichten von 3,0% im Vergleich zum Vorjahresquartal in Frankfurt am Main bis hin zu 7,4% in Berlin. Der Top 7-Index der Neuvertragsmieten erhöhte sich im Vorjahresvergleich um 4,9% und deutet auf eine weiterhin bestehende Wohnraumknappheit hin. Die größten Mietsteigerungen fanden sich mit 6,5% abermals in Berlin. In Stuttgart veränderte sich das Mietniveau mit einer Steigerung von 2,7% im Vergleich zur Vorperiode am geringsten. Der Index für Liegenschaftszinsen gab im Vorjahresvergleich leicht um 0,9% nach.
Gewerblicher Immobilienmarkt
Der gewerbliche Immobilienmarkt wurde deutlich stärker als der Wohnimmobilienmarkt durch die Herausforderungen der letzten Zeit wie Pandemie, Lieferengpässe und Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine belastet. Zusätzlich trugen die hohe Inflation und die dadurch deutlich steigenden Zinsen zu weiterer Unsicherheit über die nähere Zukunft bei. Im Ergebnis fielen die Preise für Gewerbeimmobilien im Vergleich zum Vorquartal um 2,2%, im Jahresvergleich um 0,6%. Büroimmobilienpreise gingen im Vergleich zum zweiten Quartal um 1,6% zurück, lagen aber immer noch um 1,4% höher als im dritten Quartal des Vorjahres. Stabilisierend wirkte sich hier weiterhin die Lage auf dem Flächenmarkt aus: Die Neuvertragsmieten stiegen im Jahresvergleich um 4,9%, was Ausdruck der stabilen Situation auf dem Arbeitsmarkt ist. Der Investmentmarkt hingegen zeigt sich zunehmend anfälliger gegenüber der wirtschaftlichen Unsicherheit und den gestiegenen Finanzierungskosten. Vor diesem Hintergrund legten die Renditen, gemessen am Liegenschaftszinssatzindex, um 3,4% gegenüber dem Vorjahr zu.
Beschwerlich stellt sich die Lage weiterhin für Einzelhandelsimmobilien dar. Die Preise in diesem Marktsegment gaben im Vergleich zum Vorjahresquartal um 5,8% nach. Zusätzlich zu dem schon seit längerem anhaltenden und durch die Pandemie verstärkten Strukturwandel hin zum Online-Handel belasten weitere Probleme den Handel. Hierzu zählen hohe Energiekosten, Lieferkettenprobleme und die getrübte Konsumstimmung der Verbraucher. Davon betroffen sind weiterhin vor allem die klassischen Geschäfts- und Warenhäuser in den Innenstadtlagen. Die schwächelnde Flächennachfrage in diesem Marktsegment führte zu einem Rückgang der Neuvertragsmieten um 3,1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Unsicherheit in diesem Marktsegment in Verbindung mit den gestiegenen Finanzierungskosten hat sich auf das Nach-frageverhalten der Investoren ausgewirkt. Aufgrund der sinkenden Preise kam es zu einem weiteren Anstieg der Renditen. Diese lagen, gemessen am Index der Liegenschaftszinsen, im Vergleich zum Vorjahresquartal um 2,8% höher.
Preisveränderung gegenüber Vorjahresquartal
Selbst genutztes Wohneigentum:
+8,3 %
Mehrfamilienhäuser:
+4,1 %
Büroimmobilien:
+1,4 %
Einzelhandelsimmobilien:
-5,8 %
Alle Indizes werden von der vdpResearch GmbH im Auftrag des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (vdp) auf der Grundlage einer umfassenden Transaktionsdatenbank, welche die Transaktionen der teilnehmenden Finanzinstitute enthält, berechnet. Die Indizes werden quartalsweise veröffentlicht. Weiterführende Informationen bezüglich der Berechnung der einzelnen Indizes finden sich auf der Webseite der vdpResearch GmbH unter https://www.vdpresearch.de/leistungen/preisindizes/.
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