Die zwei Seiten des Wohnungsmarktes
Eine weitere Ausgabe der Veröffentlichungsreihe Marktaspekte. In kurzen und prägnanten Beiträgen beleuchten wir aktuelle sowie andere wesentliche Ereignisse des Immobilienmarktes. Heute beschäftigt uns das Thema „Die zwei Seiten des Wohnungsmarktes“.
Geschwindigkeitsdifferenzen
Begründet in niedrigzinsbedingten Kostenverzerrungen war der Wohnungsmarkt in den letzten Jahren durch auffällig unterschiedliche Geschwindigkeiten in den Entwicklungen der Mieten und Preise gekennzeichnet: Extrem stark steigenden Wohneigentumspreisen standen nur halb so stark steigende Neuvertragsmieten gegenüber. Es wird weiterhin Geschwindigkeitsdifferenzen geben, allerdings werden die Positionen getauscht und die Gangart zurückgenommen.
Mietmarkt im Sog der Zuwanderung
Der Mietmarkt ist und wird angespannt bleiben. In vielen Teilen des Landes sind freie Wohnungen sehr knapp. Schon seit Längerem kommt der Wohnungsbau nicht an den Bedarf heran, auch wenn diese Lücke zuletzt durch eine anziehende Neubautätigkeit stark reduziert werden konnte.
Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat sich die Situation signifikant verändert. Erstens werden nun auch aufgrund von Material und Energieengpässen sowie höherer Zinsen deutlich weniger Wohnungen fertig gestellt als in den Jahren zuvor.
Der Wohnungsneubau schwächt sich also allen politischen Bestrebungen zum Trotz wieder ab.
Zweitens hat die durch den Krieg ausgelöste Flüchtlingsmigration den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum kurzfristig dramatisch erhöht. Zwischen Januar und Juli 2022 ist in Deutschland die Zahl der Einwohner durch grenzüberschreitende Wanderungen um mehr als 1 Millionen Menschen gestiegen, vor allem durch einen starken Nettozuzug aus der Ukraine.
Der Größenordnung nach kam es zuvor nur in den 1990er Jahren und im Jahr 2015 zu vergleichbaren Wanderungsüberschüssen. Das Ergebnis ist ein zunehmender Druck auf dem Mietwohnungsmarkt, der vorerst weiter Ausdruck in steigenden Mieten finden wird.
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Eigentumsmarkt im Schatten höherer Zinsen und veränderter Erwartungen
Der Eigentumsmarkt war in den letzten Jahren bei einer insgesamt moderaten Zahl an Eigentumsübertragungen durch sehr stark steigende Preise geprägt. Mit den Preisen gingen auch die Geldumsätze deutlich nach oben.
Die wiederum ließen gemeinsam mit der anziehenden Neubautätigkeit den Umsatz auf dem Markt für Immobilienfinanzierungen kräftig steigen. Außer steigende Mieten spricht gegenwärtig wenig dafür, dass dieser Boom anhalten wird, aber vieles dagegen, wie zum Beispiel höhere Zinsen, reale Einkommenseinbußen sowie wirtschaftliche und politische Unsicherheiten.
Damit übereinstimmend gehen die Marktteilnehmer in zunehmender Anzahl davon aus, dass sowohl die Preise als auch die Zahl der Transaktionen und damit auch die Geldumsätze in den nächsten Quartalen nachgeben werden.
Entsprechend der jüngsten Bundesbank-Umfrage zum Kreditgeschäft prognostizieren die Banken in Deutschland für das dritte Quartal einen Einbruch in der Nachfrage nach Wohnungsbaukrediten, der allerdings zum Teil dem sehr lebhaften Geschäft im zweiten Quartal geschuldet ist.
Eine andere Befragung der Bundesbank kommt zu dem Ergebnis, dass von Monat zu Monat mehr Privathaushalte sinkende Wohnimmobilienpreise für die kommenden vier Quartale erwarten. Tatsächlich ist nicht davon auszugehen, dass in nächster Zeit viele Marktteilnehmer bereit sein werden, mehr Geld als bisher für bestehende Wohnungen und Häuser auszugeben.
Im Gegenteil: Mit den anhaltend hohen Zinsen und realen Einkommenseinbußen werden die effektive Nachfrage und die Preise für Wohnimmobilien eher leicht abwärts tendieren.
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