Hohe „Baureserve“ auf dem Wohnungsmarkt
Eine weitere Ausgabe der Veröffentlichungsreihe Marktaspekte. In kurzen und prägnanten Beiträgen beleuchten wir aktuelle sowie andere wesentliche Ereignisse des Immobilienmarktes. Heute beschäftigt uns das Thema „Hohe „Baureserve“ auf dem Wohnungsmarkt“
Welchen Beitrag kann der Bauüberhang zur Wohnungsmarktentspannung leisten?
An der seit Langem zunehmenden Zahl an Baustellen und den allerorts stehenden Baukränen ist für jedermann sichtbar, dass der Wohnungsneubau kräftig an Dynamik gewonnen hat. Im vergangenen Jahr wurden mehr als 306 Tsd. Wohnungen fertig gestellt, davon 274 Tsd. in neu errichteten Wohn- und Nichtwohngebäuden und 32 Tsd. durch Maßnahmen im Bestand. Auch im laufenden Jahr wird die Marke von 300 Tsd. Wohnungen klar überschritten werden. Ganz ordentlich, gemessen an dem, was vor einer Dekade dem Wohnungsmarkt übergeben wurde, aber zugleich enttäuschend, wenn man die Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen als Messlatte heranzieht.
Diesen laufen die Fertigstellungen sehr deutlich hinterher. Seit dem Jahr 2009 übersteigt die Zahl der genehmigten Wohnungen die Zahl der fertig gestellten Wohnungen pro Jahr um rund 55 Tsd. Einheiten. Die Folge ist ein mittlerweile sehr hoher, sich weiter aufbauender Bauüberhang. Zum Jahresende 2020 waren es rund 780 Tsd. Wohnungen, das sind 1,82 % des gesamten Wohnungsbestandes der Bundesrepublik Deutschland. Vergleichbar hohe Zahlen wurden bei deutlich mehr genehmigten und fertig gestellten Wohnungen zuletzt Mitte der 1990er-Jahre gemessen.
Der Bauüberhang, der manchmal auch als stille Wohnungsbaureserve interpretiert wird, gibt Aufschluss über das Potenzial an Wohnungen, das innerhalb einer kurzen Zeitspanne das bestehende Wohnungsangebot ergänzen könnte. Dies gilt vor allem für den Teil, für den bereits Bauleistungen erbracht wurden. Die Bauüberhangsstatistiken, die von den Statistischen Landesämtern geführt werden, geben an, ob das Bauvorhaben begonnen wurde und wie weit der Bauzustand fortgeschritten ist. Ende des letzten Jahres hatten wir folgende Situation: 60 % der genehmigten Wohnungen waren im Bau, davon etwa die eine Hälfte „bereits unter Dach (rohbaufertig)“, die andere Hälfte „noch nicht unter Dach“.
Der Karte kann entnommen werden, dass einzelne Großstädte sehr hohe Wohnungsbauüberhänge zeigen, deren Wohnungsmärkte angespannt und von steigenden Mieten geprägt sind. Unter anderem fallen die Städte Berlin, München und Frankfurt am Main hierunter. In Berlin lag der Bauüberhang Ende des letzten Jahres bei rund 66 Tsd. Wohnungen, in München waren es mehr als 35 Tsd. Wohnungen – dies sind in Berlin 3,3 % und in München sogar 4,3 % des Wohnungsbestandes. Bekanntermaßen ist hier wie dort Wohnraum schwer zu bekommen, sind die Neuvertragsmieten zum Teil sehr hoch und seit Jahren flächendeckend steil aufwärtsgerichtet. Der Abbau der Bauüberhänge könnte in beiden Städten – wie auch in anderen Regionen Deutschlands – den Mangel an Wohnungen spürbar lindern. Die wohnungspolitische Schlussfolgerung, die sich hieraus ergibt, liegt darin, Verzögerungen im Bauablauf abzubauen. Diese Verzögerungen dürften nicht zuletzt mit der hohen Kapazitätsauslastung in der Bauwirtschaft und nicht ausreichend vorhandenen Materialien zusammenhängen.
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